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Hans-Jürgen Kupka

ARD-Chef Buhrow wagt den Blick in die Zukunft



"Wo die ARD im Jahr 2030 steht". Unter diesem Titel hat der ARD-Vorsitzende und WDR-Intendant Tom Buhrow in einem FAZ-Gastbeitrag (23. März 2021) skizziert, welche großen Aufgaben in den kommenden Jahren vor dem ARD-Senderverbund liegen und wie diese zu lösen sein könnten. So stellt Buhrow unter anderem fest, dass die ARD auf dem Weg zu einem "non-linearen Content-Netzwerk" sei. Die non-lineare Nutzung werde die klassische, lineare Nutzung von Medieninhalten in rund neun Jahren abgelöst haben. Fernsehprogramme werden dann der Vergangenheit angehören.

Grundsätzlich plädiert der ARD-Vorsitzende dafür, die Debatte über die Reform des ÖRR nicht am Ist-Zustand auszurichten, sondern an einem Zukunftsbild. "Also nicht zu fragen: ‘Was passt mir am gegenwärtigen System nicht?’, sondern: "Was erwartet die Gesellschaft in Zukunft vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk? Wir starten dazu im Mai einen ARD-Zukunftsdialog, in dem wir die Bürgerinnen und Bürger selbst dazu fragen".


Über das deutsche Mediensystem im Jahr 2030 schreibt Buhrow, es werde an Stabilität verloren haben. Schon heute arbeiten viele Zeitungsverlage auf verschiedenen Ebenen zusammen oder haben Redaktionsgemeinschaften gegründet. Und dieser Trend werde wohl noch zunehmen. Und auch der ÖRR werde in neun Jahren anders aussehen als heute. Man sei 2030 "noch stärker vor Ort in den Regionen" und würde dann "vermehrt mit Einrichtungen aus Wissenschaft, Kultur und Bildung sowie privaten Medienhäusern" kooperieren. Hier geht u.a. der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) in die Offensive.


Für eine öffentlich-rechtliche Super-Mediathek


Tom Buhrow greift erneut, wie schon im vergangenen Jahr, die Idee einer einzigen Mediathek für öffentlich-rechtliche Inhalte auf. Schon heute vernetzen sich ARD und ZDF mit ihren Mediatheken, von einem Angebot aus einem Guss kann man aber noch nicht direkt sprechen. Dies mache aber aus Sicht der Zuschauer viel Sinn, sagt Buhrow. Und die vielen Spartenkanäle würden 2030 größtenteils verschwunden sein, weil sie in der Mediathek aufgehen könnten, glaubt der ARD-Vorsitzende. "Abgesehen von dramatischen Ereignissen und einzelnen Live-Events, wird kein mediales Ereignis mehr weite Teile der Bevölkerung binden. Die Menschen holen sich, was sie wollen und wann sie es wollen". Der ARD-Vorsitzende spricht zudem davon, dass der ÖRR "Open Source für wertvolle Inhalte" werde. Zum Stichwort Lizenzen äußerte er sich aber nicht.

Auch beim Hörfunk sieht Tom Buhrow große Veränderungen: So würden etliche Audio-Angebote ins Netz wandern und die UKW-Welt verlassen. Durch die "neue grenzenlose Technik" müssten nicht "Dutzende regionale Hörfunkwellen unterhalten werden". Weitgehende Kooperationen unter den Landessendern und mit dem Deutschlandradio seien möglich. Die UKW-Verbreitung sei bis Mitte des Jahrzehnts gesetzt, "aber in sieben bis zehn Jahren müsse man überlegen, ob man noch lineare Hörfunkwellen in der heutigen Form brauche". Bis 2030 müssten sich Politik und Sender Ersatzlösungen überlegen. Bisher würden sich öffentlich-rechtliche und private Anbieter hier belauern und darauf warten, dass der jeweils andere zuerst den UKW-Ausstieg verkündet. Deshalb würde man heute in alle Technologien investieren. Und das sind doppelte Kosten.


ARD-Chef Buhrow spricht auch vom "gordischen Knoten", den es gelte zu durchschlagen. Er fordert "klare Rahmenbedingungen für alle Marktteilnehmer". Und auch für Orchester, Big Bands und Chöre bedarf es laut Buhrow einer Konzeption für die Zukunft. "Wir werden alle zusammen überlegen müssen, wie wir diese wertvollen Klangkörper vor populistischen Tagesstimmungen schützen", sagt er. Buhrow verweist auf das Modell einer Trägergesellschaft, wie es sie in Berlin mit dem Deutschlandradio, RBB, dem Bund und dem Land Berlin gibt.


Der Rundfunkbeitrag kann gesenkt werden


Ein wesentlicher Teil der Zukunftsüberlegungen sind natürlich die Rundfunk-Kosten und so skizziert Tom Buhrow im "FAZ"-Gastbeitrag auch einige Gedanken zum Rundfunkbeitrag – dieser könnte sogar gesenkt werden. Aber auch nur dann, wenn alle Kosten-Bereiche herausrechnet werden, „die mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk nichts zu tun haben". Und ARD-Chef Buhrow wird deutlich: Auch die Landesmedienanstalten (Anmerkung: Aufsicht Privatfunk) erhalten ihr Budget aus dem Rundfunkbeitrag (Anmerkung: rund 150 Mio. Euro pro Jahr). Und wenn finanziell schwächer gestellte Personen das Geld nicht aufbringen können, springen alle anderen dafür ein. "Ist das nicht eigentlich Aufgabe der Sozialkassen?", fragt Buhrow. Zusammengerechnet würden diese beiden Beispiele den Beitragszahlern rund 1,60 Euro im Monat kosten.

Tom Buhrow geht hier geschickt in die Offensive. Die gescheiterte Erhöhungsdebatte der letzten Monate ging wohl nicht spurlos an ihm vorbei. Zwar würde der Rundfunkbeitrag sinken, schön für ARD und ZDF, aber die herausgerechneten Kosten-Bereiche würden an anderen Stellen wieder auftauchen. Für die Bürger würde sich die Rechnungshöhe nicht ändern. Die Landes-Politik hat es sich aber sehr leicht gemacht, rundfunkferne Aufgaben wie die Aufsicht des Privatfunks und Orchester der Länder, in die Rundfunkgebühr zu integrieren. Grundsätzlich müsse man sich immer fragen, ob es um die Modernisierung von ARD und ZDF gehe oder eben nur um Kostensenkungen, so Buhrow.


"Ich bin überzeugt davon, dass Deutschland im Jahr 2030 einen reformierten, starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk braucht, der den Menschen alle inhaltlichen Genres bietet", so Buhrow. "Unser Land wird noch stärker unter dem Stress unaufhaltsamer Veränderungen stehen. Die Gereiztheit gegenüber Institutionen, Entscheidungsträgern, gegenüber dem gesamten angeblichen ‘System’, wird noch zunehmen." ARD, ZDF und Deutschlandradio werden mehr denn je Dialog und Diskussion unter den Menschen ermöglichen und seien dabei unabhängig und überparteilich. Die Nähte des Gemeinwesens dürften nicht reißen, warnt Buhrow. "Wir Öffentlich-Rechtliche können dazu beitragen, indem wir uns in den Dienst dieses Gemeinwesens stellen."

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