© Patricia Neligan/SWR
„Jetzt wird es konkret, die ARD der Zukunft nimmt Gestalt an“, so ein ARD-Pressetext vom 22.6.2023. Und auf der Pressekonferenz um 14 Uhr hat der ARD-Vorsitzende Kai Gniffke gut gelaunt verkündet: "Die ARD hält Wort, die ARD liefert. Wir liefern alles, was wir uns vorge-nommen haben. Jetzt ist die Zeit für Reformen, es gibt kein Zurück mehr." Geeinigt haben sich die Intendantinnen und Intendanten auf die Grundsatzentscheidungen, auf die Ein-richtung von Kompetenzzentren, die nun aber Kompetenzcenter heißen. Für die Dritten Programme werden die drei Themenfelder Klima, Verbraucher und Gesundheit die Ressourcen in jeweils einem Kompetenzcenter gebündelt. Das Kompetenzcenter produziert künftig zentralisiert lineare und digitale Angebote, die von den Landesrundfunkanstalten übernommen werden können, nicht müssen. Bei den Kompetenzcentern liegt der Schwer-punkt auf überregionaler Berichterstattung. Welche Medienhäuser in der ARD sich wie stark in den Kompetenzcentern einbringen und wer für welches Themenfeld die Federführung übernimmt, entscheidet die ARD noch in diesem Jahr, so dass die Kompetenzcenter bereits 2024 starten können. Ebenfalls soll im Herbst entschieden werden, was die nächsten Kompetenzcenter sein könnten - in der Diskussion sind Reise/Touristik, Ernährung/Kulinarik und Künstliche Intelligenz.
Vor Monaten hatte Kai Gniffke noch mit vielen Worten den ambitionierten Plan eines gemeinsamen Mantelprogramms für die Dritten vorgestellt, um insbesondere deutlichere Einsparungen ermöglichen zu können: „Wozu braucht es 7 Gesundheitsmagazine, wenn die Bürger in allen Regionen die gleichen Krankheiten haben“. Doch davon ist nun keine Rede mehr, stattdessen spricht man in der ARD nun von "modularen Mänteln" und einem "Bau-kastensystem". Da die konkrete Ausgestaltung noch erarbeitet werden muss, warfen die Präsentationen durch die Intendantinnen und Intendanten in den 9 Landeshäusern vor ihrer jeweiligen Belegschaft mehr Fragen auf als dass sie Antworten bekamen.
Konkreter wurde es da bei den Radiowellen. Hier gibt es eine ARD-Einigung für eine "Gemeinschaftsredaktion" bei den Hörspielen. Für die Genre-Programme sollen Beiträge zu einem bestimmten Thema nur noch einmal erstellt und „ins Regal gestellt“ werden und dann von allen Landesrundfunkanstalten abgerufen werden können. Bei den Info- und Kulturwellen wird man gemeinsame Abendprogramme ab 20 Uhr sowie fürs Wochenende anbieten, denn die Nutzungszahlen sind in diesen Zeiten eher gering. Anbieten will man auch wöchentlich zwei Dialogformate für Radiohörer zu Medien und gesellschaftspolitischen Themen. Die Bürger sollen zur Diskussion mit den ARD-Verantwortlichen und -Machern eingeladen werden. Ob die einzelnen Landesrundfunkanstalten die Gemeinschaftssendungen, die es bislang ja auch schon nachts gibt, übernehmen, liegt aber letztlich in deren Ermessen. Auch soll es immer "Ausstiegspunkte" geben, an denen regionale Inhalte eingeflochten werden können.
Jahrzehntelang waren lineares Fernsehen und Radio die Hauptverbreitungswege für Informa-tion, Bildung, Kultur, Sport und Unterhaltung aus den ARD-Medienhäusern. Inzwischen nutzen die Menschen in Deutschland immer mehr digitale Medien, vor allem die Jüngeren. Die ARD erwirtschaftet deshalb rund 250 Millionen Euro in der kommenden Beitragsperiode 2025 bis 2028 zusätzlich für journalistische Angebote im Digitalen. Ziel ist, auch im Sinne der Generati-onengerechtigkeit, vor allem jüngere Menschen, die lineare Verbreitungswege wenig oder gar nicht nutzen, mit den vielfältigen Inhalten der ARD zu erreichen. So soll der gesetzliche Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks weiter in der linearen und künftig noch stärker in der digitalen Welt erfüllt werden.
Die sog. digitale Erneuerung der ARD erfordert umfangreiche Entwicklungsarbeit bei der digitalen Infrastruktur, zum Beispiel beim Aufbau von Empfehlungs- und Personalisierungs-diensten oder dem Management der unterschiedlichen Inhalte. Das Projekt besteht aus 18 Bausteinen (Modulen) und ist auf mehrere Jahre angelegt. In Stuttgart haben die Intendan-tinnen und Intendanten der ARD festgelegt, welche ARD-Medienhäuser bei den jeweiligen Modulen die Verantwortung übernehmen. Auch hier gilt das Prinzip intensiver Zusammen-arbeit, Arbeitsteilung und gemeinsamer Standards. Im Rahmen der digitalen Erneuerung der ARD wird eine gemeinsame technische Infrastruktur für alle Landesrundfunkanstalten geschaffen, die auch auf die Zusammenarbeit mit dem ZDF bei dem gemeinsamen Streaming-Netzwerk einzahlt. Bis Ende des Jahres sollen im nächsten Schritt die Details des Projekts ausgearbeitet werden.
„Die Chefinnen und Chefs von neun starken und eigenständigen ARD-Medienhäusern haben sich entschlossen hinter einer gemeinsamen Idee versammelt: Wir rücken enger zusammen und stärken das A in ARD – die Arbeitsgemeinschaft. Wir formen die ARD der Zukunft – für alle Menschen in Deutschland, die von uns zu Recht exzellente und effiziente Arbeit erwarten. Das ist ein entscheidender Schritt,” so der ARD-Vorsitzende Kai Gniffke. Die Heimat und die Stärke der ARD liegen in den Regionen, in den Städten und Dörfern Deutschlands und in den Ländern, die gemeinsam den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks formulieren. Die ARD ist vor Ort bei den Menschen und erzählt die Geschichten aus ihrer Lebenswelt. Die regionale Verwurzelung gehört zur DNA der ARD und sie wird konsequent zu einem regional verankerten Inhalte-Netzwerk weiterentwickelt. Dafür sind verstärkt gemeinsame Programm-strecken oder Kooperationen sinnvoll und möglich. Auf Nachfrage lehnte es aber Kai Gniffke ab, auch ein Kompetenzcenter „Regionales“ mit vertiefenden Themen bundesweit anzu-bieten, da die Landesanstalten den ganzen Tag aus und für die Region berichten. In den aktuellen FS-Magazinen um (in der Regel) 19:30 ist aber kaum Zeit, einen Themenkomplex (Umwelt/Natur, Bauen/Verkehr/Energie, Migration/Integration) vertiefend zu behandeln. Hier verschläft der ARD-Verbund leider eine gesellschaftliche Aufgabe. In Zeiten wie diesen, haben die Bürger viele Fragen und wären für Informationen, Debatten und Lösungen sehr dankbar.
Hat die ARD dazugelernt – nach 73 Jahren ihrer Gründung? Da mtlw. 9 Ministerpräsidenten eine weitere Gebührenerhöhung schon abgelehnt haben, müssen die 9 Landeshäuser stärker zusammenrücken und die Aufgaben untereinander verteilen und sich besser abstimmen. Nicht jeder muss alles herstellen. Die ARD will also notgedrungen das „A“ stärken und die „Arbeitsgemeinschaft“ zu einer echten Einheit ausbauen. Auch deshalb kann sich das zen-trale ZDF gemütlich zurücklehnen und die Reform-Bemühungen der ARD in Ruhe betrachten. Bei der Publikumsnutzung führt das ZDF seit 11 Jahren und dominiert das gesamte Tagespro-gramm mit Marktanteilen von 25 % und mehr. Und die ARD hat darauf keine Antwort. Sollte es evtl. besser ein gemeinsames Tagesprogramm von ARD und ZDF geben – wie bei Morgen- und Mittags-Magazin? Es sind die gleichen Zielgruppen und würde Geld einsparen. Haben ARD und ZDF dbzgl. aber überhaupt Mut zu Veränderungen? Eher werden wohl die Landes-politiker die ARD-Spitzengehälter, Spitzenreiter ist hier WDR-Chef Tom Buhrow mit 424.000 Euro pro Jahr, auf 180.000 bis 240.000 Euro in der nächsten Zeit abschmelzen.
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