
In einer Demokratie kann sich jeder Bürger in Wort, Schrift und Bild frei äußern. Wer sich mit seinen politischen Ansichten an die gesamte Öffentlichkeit wenden möchte, ist auf die großen Medien angewiesen. Wäre es nicht fantastisch, wenn es dafür Rundfunkanbieter geben würde? In einer Bürger-Demokratie sollten Einzelpersonen und Bürgergruppen in den Medien auftreten können, ohne berühmt, einflussreich, politisch bekannt oder reich zu sein. In den Niederlanden ist das seit 100 Jahren möglich. Die Bürger organisieren sich in Vereinen und senden im ÖRR wie bei uns ARD und ZDF zu allen Themen die sie interessieren.
In Deutschland sind zwar viele kleine und große Medien-Unternehmen tätig, diese sind gewinn-orientiert und haben eine bestimmte politische Tendenz. Hier bekommen Einzel-personen mit ihren Ansichten kaum eine Chance. Ebenso beim ÖRR, bei den 9 Landesrund-funkanstalten der ARD, beim ZDF, beim Deutschlandradio (DLF) oder bei Arte. Diese Anbieter sind laut Sendeauftrag dem Gemeinwohl verpflichtet, wie die Deutsche Welle (Auslands-dienst). Aber auch hier haben Bürger und Gruppen keine Chance, um sich vorzustellen und für ihre Ansichten beim Publikum werben zu können. Eine Chance haben nur Vertreter von Regierungen, Parteien, Verwaltungen, Unternehmen, Gewerkschaften, Verbänden, Lobby-gruppen und Prominente. Der engagierte Bürger oder eine Bürgergruppe hat auch beim ÖRR (Eigentümer sind die Bürger) keine Chance das Wort an die Bevölkerung richten zu können. Warum eigentlich nicht?
Auf lokaler Ebene existieren ca. 140 sogenannte Offene Kanäle (O.K.) für Hörfunk und Fernsehen. Der erste O.K. Deutschlands wurde 1984 in Ludwigshafen gegründet. „Die Idee: Bürgerfernsehen als Ausdrucksform der Demokratie, der medialen Mitbestimmung und des öffentlichen Diskurses. Der Offene Kanal sollte neben öffentlich-rechtlichen Medien und Privatfunk eine dritte Säule in der deutschen Medienlandschaft bilden“ (SWR-Kultur 10.7.2024). Die O.K. haben nur wenige Hörer und Zuschauer, sie werden von den Landesmedienanstalten finanziert und somit aus Rundfunkgebühren. Teilweise erhalten sie zusätzlich Gelder von örtlichen Trägervereinen. Eine Medien-Alternative sind die O.K. für die Bürger nicht, sie sind in weiten Teilen der Bevölkerung unbekannt.
In den Niederlanden dagegen ist der ÖRR in seiner Struktur demokratisch-pluralistisch und bürger-freundlich organisiert. Der öffentlichen-rechtlichen Rundfunk wird zu rd. 70 Prozent von Vereinen gestaltet (3 Fernseh- u. 6 Radioprogramme, Plus Onlineangebote). Diese Medienanbieter (Rechtsform Verein bzw. Stiftung) repräsentieren unterschiedliche politische und gesellschaftliche Strömungen - im Ergebnis ist die gesamte Bevölkerung durch 11 Vereine in den öffentl.-rechtl. Programmen vertreten. Dabei reicht das politische Spektrum von liberal über konservativ bis rechtspopulistisch, von links bis progressiv - von christlich bis protestantisch und von humanistisch bis multikulturell. Zudem ist die Generation 50 Plus vertreten.
Dieser private Gemeinwohl-Rundfunk hat Mitglieder und zur vollwertigen Anerkennung müssen die Mitglieder mindestens 16 Jahre alt sein und wenigstens 5,72 Euro pro Jahr als Beitrag bezahlen. Von der Mitgliederanzahl hängt der Status (Größe) ab und die Höhe der Steuergelder (seit dem Jahr 2000 wird der ÖRR über Steuern finanziert), die ein Verein vom Staat und aus den Werbeeinnahmen des ÖRR/NPO (Nederlandse Publieke Omroep) erhält. Die Mitgliederzahl nach Status beträgt: Mehr als 300.000 (A-Status), 150.000 bis 300.000 (B-Status), mindestens 50.000 (Interessenten-Rundfunkvereinigung). Seit der Zusammenlegung der Rundfunkanbieter (nach einer Vorgabe des Medienministers) gibt es nur noch Anbieter mit A-Status, die auf 6 beschränkt sind. Dazu kommt noch der Interessenten-Rundfunk nach Artikel 2.42 für kleine Gruppen, die kaum Eigenmittel haben und vom Staat mit Finanzen unterstützt werden. Die Niederlande haben sich ein plurales Medienangebot zur Aufgabe gemacht, um Minderheiten eine Stimme geben zu können. Das ist Medien-Demokratie pur.
Zudem gibt es 2 Stiftungen für das Rahmenprogramm mit einem Informations- bzw. Bildungsauftrag: NOS und NTR (Sendeanteil rd. 30%). Dieser Auftragsrundfunk (Taakomroep) hat keine Mitglieder und seine Aufgaben sind gesetzlich festgelegt. Während die NOS Nachrichten, Sport und allgemeinen Informationen ausstrahlt, sind die Schwerpunkte der NTR die Bereiche Information, Bildung und Kultur. Innerhalb dieser Sendezeiten strahlen Socutera (Stiftung zur Förderung sozialer und kultureller Zwecke) und PP (Sendezeit für politische Parteien) ihre Sendungen aus. Dazu kommt die Stiftung Ster, die für die Werbeausstrahlung verantwortlich ist.
Wäre ein Bürger-Rundfunk auch in Deutschland möglich? Selbstverständlich! Staat und Gesellschaft der Niederlande (NL) sind mit Deutschland vergleichbar und auch die deutschen Bürger sind demokratisch und kritisch eingestellt. Daher lautet der Auftrag an die Politik: Gebt den Bürgern eine Rundfunk-Stimme. Denn wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit. Die Zeit ist reif für einen Bürger-Rundfunk. Wie könnte dieser konkret aussehen? Ausgehend von den politischen Strömungen und den letzten Wahlergebnissen, wären folgende Rundfunkvereine denkbar: Mitte/Mitte-Rechts, Liberal, Rechts, Mitte/Mitte-Links, Grün, Links. Die Mitglieder-Vereine können sich an der jeweiligen Parteifarbe orientieren, sie müssen aber von den Parteien strukturell unabhängig sein. In den Vereinen dürfen Partei-Politiker, -Funktionäre und -Mandatsträger keine Aufgaben übernehmen (ebenso Amtsträger). Um möglichst viele Bürger (ab 16 Jahren) zum Vereinseintritt zu überzeugen, sollten die Vereine einen großen Abstand zu den Parteien einnehmen und die Vereinsziele im Sinne einer jeweils großen Bevölkerungsgruppe formulieren. Unabhängigkeit stärkt die Glaubwürdigkeit und garantiert Millionen von überzeugten Mitgliedern. Der Jahresbeitrag könnte bei 20 Euro liegen.
Die Rundfunkvereine erhalten vom Gesetzgeber den Auftrag, Informationen und Meinungen aus Politik, Gesellschaft und Kultur auszustrahlen. Im ersten Jahr wären je nach Vereinsgröße 60, 75 oder 90 Minuten pro Woche denkbar. Die Sendungen könnten im ARD/ZDF-Phoenix-Programm von Montag bis Freitag zwischen 18 und 20 Uhr gesendet werden (derzeit werden Dokus wiederholt). Die Finanzierung erfolgt durch Mitgliedsbeiträge und Spenden. Die technische Infrastruktur existiert bereits. In den Offenen Kanälen der gro. Städte sind Studios, Betriebstechnik und Personal vorhanden, welche aus Rundfunkgebühren finanziert werden. Eine Kooperation mit den Rdf.-Vereinen ist daher sehr sinnvoll.
Eine entscheidende Frage ist die nach der Höhe der Mindestzahl der Mitglieder für einen Rundfunkverein. Eine Orientierung an den NL wäre möglich, ist aber aus mehreren Gründen nicht ratsam. In den NL haben die Vereine 100 Jahre Erfahrungen mit dem Bürger-Rundfunk - Bürger und Politiker halten sich an die festgelegten Regeln. Und, die Höhe der Mitgliederzahl als Voraussetzung für die Zulassung wurde in den letzten Jahren deutlich reduziert (so von 450.000 auf 300.000). Die Mitgliederzahlen liegen zwischen 274.000 und 407.000, bei kleinen Vereinen zw. 55.000 und 90.000. Für Deutschland wären die ndl. Zulassungszahlen willkürlich, Gruppen könnten diese ablehnen und vor Gericht eine Klage einreichen. Die Justiz (auch Verfassungsgerichte) ist aber nicht zuständig, da es sich um gesellschafts-politische Fragen handelt. Nur die die Gemeinschaft der Bürger kann diese Frage mittels Volksab-stimmung beantworten.
Um politische Auseinandersetzungen um die Mindestzahl an Vereinsmitgliedern und den Verdacht von Willkür aus dem Weg zu gehen, sollte die Anzahl der wahlberechtigten Bürger zum Maßstab genommen werden. Zur Bundestagswahl sind rd. 60 Mio Staatsbürger berechtigt und für die Parteien gilt betr. Parlamentseinzug eine 5%-Hürde. Danach müsste ein Verein mind. 3 Mio Mitglieder für eine Zulassung aufweisen. Abweichend von dieser Zahl, könnte für kleinere Vereine die Zahl der Stimmbürger zur Grundlage genommen werden. An der Bundestagswahl nehmen rd. 75% der Staatsbürger teil, 5 Prozent wären rd. 2 Mio Personen. Diese C-Vereine würden pro Woche 60 Min. Sendezeit erhalten, B-Vereine mit mind. 3 Mio Mitglieder 75 Min. und A-Vereine mit über 4 Mio Mitglieder erhalten 90 Minuten. Die Zahl der Berechtigten für eine Mitgliedschaft wird zudem erweitert, da alle Bürger ab 16 Jahren mit deutschen Wohnsitz einem Verein beitreten können.
Ein Staat, eine Demokratie, zeichnet sich auch dadurch aus, wie ausgeprägt, wie pluralistisch das Medienangebot ist und welchen Zutritt die Bürger haben. In Deutschland sind immer mehr Bürger mit den Medien, insbesondere mit dem ÖRR unzufrieden. Die Vorwürfe lauten: Unausgewogenheit und Bevorzugung von grün-roten Ansichten. Eine Studie der TU Dortmund (2024) belegt diese Beobachtung: Von allen Journalisten in Deutschland neigen 41% den GRÜNEN zu, der SPD 16%, der CDU/CSU 8%, den Linken/BSW 7% und der FDP 3%. Bei den Wahlumfragen es umgekehrt: CDU/CSU über 30%, SPD 15% und GRÜNE 13%. Dieser Zustand, 64% der Journalisten ordnen sich links der Mitte ein, ist für eine Gesellschaft ein Spaltungspilz und kann die Stabilität der Demokratie gefährden. Die Rundfunkvereine sind ein bescheidener aber konkreter Beitrag, um die Meinungsvielfalt realistischer darzustellen und um den Bürgern eine Stimme geben zu können. Im Sinne einer funktionierenden Demokratie und des öffentlichen Diskurses, sollten die Bürger die Verantwortung übernehmen und sich mittels Rundfunkvereinen in die Medienwelt einbringen und ihrer Stimme im Fernsehen direkt Geltung verschaffen.
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