Fritz Pleitgen – Foto dlf.de
Die KEF prüft bis Jahresende wie viel Geld die Öffentlich-Rechtlichen in Zukunft wirklich brauchen. Rund drei Milliarden Euro zusätzlich (für vier Jahre) haben ARD, ZDF und Deutschlandradio angemeldet – zu den jährlichen rd. 9,7 Mrd. Euro. Entscheiden muss letztendlich die Landes-Politik, die derzeit ja auch eine (Teil-) Indexierung des Rundfunkbeitrags prüft. Immer wieder gab es in der Vergangenheit auch die Forderung nach einem schlankeren ör Rundfunk. Das reiche über Forderungen nach weitreichenden Einsparungen mit weniger Programmen, der Zusammenlegung von ARD und ZDF und einem bundesweiten Länderfernsehen (statt 7 Dritte) mit zeitweiliger Auseinanderschaltung für die 16 Bundesländer.
Der ehemalige WDR-Intendant Fritz Pleitgen (von 1995 – 2007) glaubt, dass sich diese Diskussion in der Zukunft noch verschärfen wird. In einem Interview mit dem „Handelsblatt“ (11.7.2019) sagt Pleitgen, er erwarte einen „Showdown“. Dann ginge es laut Pleitgen um die Frage, ob wir den öffentlich-rechtlichen Rundfunk noch brauchen würden und wie viel davon nötig sei. „Ein System oder zwei Systeme?“ Wenn es dazu kommt, müssten ARD und ZDF auf diese Fragen vorbereitet sein, warnt der frühere WDR-Intendant.Grundsätzlich verteidigt Pleitgen ARD und ZDF gegen harte Kritik und sagt, beide Systeme hätten sich „auch im internationalen Vergleich als sehr leistungsfähig erwiesen“. Geht es nach dem früheren WDR-Intendanten, sollte man bei der ARD aber verstärkt versuchen, Das „Erste“ wieder vor das ZDF zu bringen. Schon seit einigen Jahren sitzen die Mainzer auf dem Quotenthron – und das ziemlich deutlich. „Ein kultivierter Wettbewerb kann weder dem Programm noch dem Publikum schaden. Wer sich Erster nennt, sollte nicht Vierter sein“, so Pleitgen. Ihm persönlich würden Dokumentationen im Hauptabendprogramm des „Ersten“ fehlen, sagt der inzwischen 81-Jährige. „Talkshows sind gewiss wichtige Elemente der Information, aber sie reichen selten aus, um komplizierte Vorgänge angemessen darzustellen, mögen die Talkmaster noch so gut sein.“ Auch die vermeintliche Argumentation, Talkshows seien billiger und würden bessere Quoten bringen, will Pleitgen nicht gelten lassen. „Dokumentationen werden häufig dutzendfach wiederholt, mit gutem Zuspruch. So kosten sie weniger als Talkshows“.
Pleitgen spricht außerdem von „peinlichen Schwächen“ bei der ARD und nennt die Berichterstattung bei den Anschlägen in Paris und Berlin sowie beim Brand von Notre Dame als Beispiele. Um die Wiederholungen solcher Pannen zu vermeiden, sollte die ARD nach Meinung von Pleitgen die Zuständigkeit für die Berichterstattung über solche Ereignisse an eine zentrale Stelle übertragen. Am geeignetsten hält er dafür ARD Aktuell in Hamburg.
Kritik an den Programmen von ARD und ZDF kommen auch von Fernseh-Größen wie Thomas Gottschalk, Oliver Kalkhofe und Ulrich Tukur. Viele Sendungen sind ideenlos und langweilig, im Mittelpunkt steht der Boulevard und Infotainment. Der Schauspieler Ulrich Tukur wörtlich: „Nicht immer nur Brei abliefern, sonst verlernt der Zuschauer das Kauen. Und nicht immer auf diese verdammte Quote gucken. Wie ich das hasse! Wenn ich der Masse gefalle, muss ich mich mittlerweile fragen, was ich falsch gemacht habe. Denn der allgemeine Geschmack ist inzwischen so verwahrlost, dass fast nur noch Dreck konsumiert wird. Ist es nicht eigentlich ein Zeichen für Qualität, wenn man eine niedrige Einschaltquote hat? Ich hatte damit nie ein Problem. Die Wahrheit ist aber auch, dass viele Sender, allen voran die privaten, die Latte immer noch tiefer legen und damit eine atemberaubende Politik der Verblödung betreiben. Weil in den wichtigen Positionen fantasievolle und querdenkende Menschen abgezogen und durch Personal ersetzt wurden, das nur noch an Geld denkt und seinen Job erhalten will“. Und Tukur ist nicht davon überzeugt, „dass die Menschen so dumm sind, wie sie von diesen Fernsehmachern gehalten werden. Es ist zynisch, mit voyeuristischen Sendungen, in denen Menschen unablässig in ihrer Würde gedemütigt werden, Gelder zu generieren. Es ist ein Verbrechen. Eigentlich gehören diese Leute in den Knast.“ (Tagesspiegel 18.12.2018).
So hat zum Beispiel im Jahr 2018 die Krimi-Flut in 13 von 19 ör Programmen einen neuen Höhepunkt bzw. Blutzoll erreichen: In einer typischen Fernsehwoche (1.9.-7.9.2018) wurden 186 Krimis aller Art ausgestrahlt (2016 waren es 170). Hochgerechnet auf das gesamte Jahr wären das unglaubliche 8.840 Kriminalfilme bzw. -Serien – pro Tag stolze 26,6 Krimis. Aber der Krimiwahnsinn ist noch zu toppen: Am 15. Juli 2018, ein christlicher Sonntag, wurden in 8 ARD/ZDF-Programmen 35 Krimis ausgestrahlt. Aktuell senden ARD und ZDF zwischen 17.15 und 20.15 Uhr 2 Boulevard-Magazine, 3 FS-Serien u. 1 Quiz-Show – plus Werbung, aber Nachrichten in einer Länge von nur 37 Minuten. Das Argument betr. ör Alternativen, ist kein Argument, da die Mehrheit der Zuschauer auf die zwei Haupt-Programme fixiert ist.
ARD und ZDF werden nur dann eine gesicherte Zukunft haben, wenn sie sich am ör Sendeauftrag orientieren und so unterscheidbar zu RTL & Co. bleiben bzw. den Abstand erweitern. Zudem müssen sie aber ihr ör Profil stärken – mehr Informations-Sendungen aller Fachrichtungen auch zwischen 19 und 23 Uhr ausstrahlen. Und dann spricht auch nichts gegen (einige) Sendungen aus Unterhaltung und Sport. Der ARD kann man nur den guten Rat geben, ihr Nachrichtenangebot zu erweitern: Aktuelles Magazin von 17.30-18.00 Uhr, eine zeitgemäße 20-Uhr-Tagesschau von 30 Minuten und die Tagesthemen mit 45 Minuten – somit mehr Zeit auch für Interviews und „Kurz-Duelle“. Vor allem aber müssen beide Systeme ihr gesamtes Tagesprogramm erneuern – im Sinne des ÖRR. Da gibt es zu viel Unterhaltungs- und Boulevard-Durchschnitt. Oder warum sendet die ARD am Stück zwei Seifenopern und das ZDF zeitgleich eine „Küchenschlacht“ ? Daher kann die Devise nur lauten: Einfach mehr Programm-Qualität. Und das in allen öffentlich-rechtlichen Programm von Hörfunk und Fernsehen.
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