Neun Chefs im ARD-Verbund © ARD/Annika Fußwinkel
Der ARD-Vorsitzende und SWR-Intendant Kai Gniffke braucht einen langen Atem um die ARD ins digitale Zeitalter zu steuern – aber in der Hinsicht kennt er sich aus. Geboren 1960 im Eifel-Dorf Trittscheid, sein Abi machte er 1979 am Gymnasium in Daun, anschließend studierte er in Mainz und Frankfurt 22 Semester lang Politikwissenschaft, Öffentliches Recht und Soziologie. Während des Studiums hatte er diverse Nebenjobs und ein journalistisches Praktikum. Seinen Arbeitsschwerpunkt bildete die Geschichte der Arbeiterbewegung und so ist er seit 11 Jahren stolzes SPD-Mitglied.
Die Rundfunk-Reform will nicht so richtig durchschlagen, den Auftrag gab die Politik ARD, ZDF und DLF schon 2016, und so muss sich Gniffke großer Kritik erwehren. Ist der ARD-Chef sonst gewohnt locker und gut gelaunt unterwegs, machte er am Donnerstag (20.6.2024) im ARD-Pressegespräch einen zerknirschten Eindruck. Zwei Journalistenfragen wollte er nicht beant-worten: Wann wird die ARD einen FS-Digitalkanal einstellen und ob er sich schon mit den SWR-Aufsichtsgremien über seine Gehalts-Reduzierung geeinigt habe, die er selber vor-schlug. „Das war in Saarbrücken kein Thema“, so Gniffke kurz angebunden.
Am Nachmittag ging Kai Gniffke gleich in die Offensive und meinte, niemand solle behaupten die Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks/ÖRR sei auf Seiten der ARD eine Schnecke, „die ARD sich nicht oder zu langsam bewegt“. Die ARD-Intendanten-Konferenz in Saar-brücken „war sehr erfolgreich. Die „ARD 2.0“ werde jetzt Realität“. Um den geballten Reform-eifer der ARD zu untermauern, listete er 10 Merkposten auf, die er aus Saarbrücken mit-brachte. Hinter 8 Punkte setzte Gniffke einen Hacken, Aufgabe ist erledigt, bei 2 Punkten wird der Hacken Ende des Jahres gesetzt. Zu den Punkten gehört u.a. ein beim WDR angesie-delter „Sporthub“, der für alle ARD-Häuser Sportgroßereignisse produzieren wird. Wie hoch die Einsparungen sein werden, konnte nicht beziffert werden.
Der WDR hat seit 2022 die Sportintendanz innerhalb der ARD inne. Neben der Sportschau verantwortet er zahlreiche weitere Sportsendungen, darunter das investigative Hintergrund-magazin „Sport inside“, sportpolitische Dokumentationen oder crossmediale Formate wie „Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs“. Hinzu kommt eine umfassende Live-Berichter-stattung im Hörfunk: Neben der ARD-Bundesligakonferenz „Liga Live“ sind dies insbesondere die Radioreportagen aller Spiele der 1. und der 2. Bundesliga, die live und in voller Länge digital über Webseiten, Apps und Sprachassistenten zu empfangen sind. Im Produktions-bereich übernimmt der WDR seit 2020 die zentrale Abwicklung aller Wintersportereignisse für die ARD an seinem Standort in Köln-Bocklemünd.
Die ARD will die Regionalität stärken, arbeitsteilige Kooperationen vorantreiben um die Programmherstellung der neun ARD Medienhäuser effizienter und wirtschaftlicher zu gestalten. Frei werdende Ressourcen werden zur Stärkung regionaler Programmangebote und für den Ausbau des Angebots für zeitgemäße digitale Mediennutzung eingesetzt.
So gibt es künftig mehr gemeinsame Sendungen der Jungen Wellen für ein Publikum jünger als 40 Jahre, für die Pop-Wellen und die stark regional geprägten Landessender. Vertiefte Kooperationen unterschiedlicher Ausprägung gibt es im Hörfunk bereits bei den Info- und Kulturwellen, den Schlagerwellen und beim Hörspiel. Die Landessender sind Grundpfeiler des ARD-Hörfunkangebots. Radio-Wellen wie SR3, SWR4, NDR1, WDR4, rbb Antenne Brandenburg oder eine der drei MDR-Landeswellen stehen für regionale Identität. Kooperationen sichern die regionale Vielfalt der Programme durch Aufgabenteilung zu Tageszeiten, in denen die Radionutzung nachlässt und Programme weniger stark durch regionale Inhalte geprägt sind. Beschlossen wurde jetzt eine gemeinsame Abendsendung und die Beteiligung weiterer Sender an der Übernahme der ARD-Hitnacht (SWR1, hr1 und Radio Bremen), die bereits vom MDR produziert wird.
Da die Musik-Profile der Landessender unterschiedlich sind, sollen künftig zwei unterschied-liche Sendungen zur Auswahl stehen: vorbehaltlich einer noch ausstehenden Zustimmung der MDR-Gremien werden die drei MDR-Landessender einen live moderierten ARD-Abend von 20 bis 23 Uhr mit mainstream-orientierter Musik zur Übernahme anbieten. Die teil-nehmenden Wellen senden in diesem ARD-Abend ihre eigenen Nachrichten und das jeweils regionale Wetter. SWR1 bietet den Landeswellen der ARD eine Abendsendung von 20 bis 24 Uhr an, die vielfältige Musik-journalistische Formate mit Sendungen etwa zu deutscher Musik, Rock, Country oder Soul in den Mittelpunkt stellt. Auch hier senden die übernehmenden ARD Medienhäuser ihre eigenen Nachrichten. Geplanter Start der gemeinsamen Abendsendung der Landessender ist das zweite Quartal 2025.
Die jungen Hörfunkprogramme der ARD richten sich an Menschen unter 40 Jahren, die bereits heute Medienangebote mehrheitlich in der digitalen Welt nutzen. Die jungen Program-me der ARD erreichen täglich etwa neun Millionen Menschen in Deutschland. Künftig kooperieren sie bei der Produktion von Podcasts bis zur Entwicklung eines gemeinsamen Podcast-Hits. An drei bis fünf Feiertagen werden Gemeinschaftssendungen bei den teilneh-menden jungen Wellen ausgestrahlt, überdies sollen ausgewählte Talk-oder Musik-Sendungen untereinander ausgetauscht und von anderen jungen Wellen gesendet werden können.
SWR3 produziert an 365 Tagen eine kooperierte Abendshow, deren Inhalte mit den Wellen abgestimmt wurden. Die anderen Pop-Wellen der ARD können diese moderierte Live-Sendung von Montag bis Freitag ab 20 Uhr bis Mitternacht übernehmen, die meisten steigen ab 21 Uhr auf. Die Popwellen erscheinen dabei in der gemeinsamen Sendung mit eigenem Sounddesign und Trailern, auch eigene Nachrichten sind geplant. Am Wochenende beginnt die Abendshow bereits um 19 Uhr. Der Start der Kooperation ist am 2. Januar 2025.
Die ARD bündelt Fachexpertise in übergreifendem KI-Netzwerk Maschinenlernen oder Künstliche Intelligenz (KI) hat längst im Alltag Einzug gehalten mit allen Chancen und Risiken, die eine immer leistungsfähigere Technologie mit sich bringt. Die neun ARD Medienhäuser haben jetzt eine intensive Zusammenarbeit bei allen Fragen rund um KI vereinbart. Ziel des KI-Engagements der ARD ist, Qualitätsjournalismus zu unterstützen. Wie bei anderen Themen-feldern auch, sollen dabei im interdisziplinären ARD KI-Netzwerk durch intensiven Austausch und koordinierte Arbeitsteilung vor allem Doppelarbeit vermieden, die Wirtschaftlichkeit gesteigert und die Exzellenz für den gesamten Medienverbund gesichert werden.
Wie bei den journalistischen Kompetenzcentern übernimmt auch beim Thema KI eine Landesrundfunkanstalt allein oder mit Partnern die Federführung in einem bestimmten Arbeitsfeld. Zu diesen Arbeitsfeldern gehört etwa der Aufbau von Expertenwissen zur Erken-nung von KI-Fälschungen und der Einsatz entsprechender Werkzeuge, um Inhalteschnell und zuverlässig verifizieren zu können. Berichterstattung rund um künstliche Intelligenz soll im KI-Netzwerk gemeinschaftlich konzipiert und geplant werden. Auch die Entwicklung, Anpassung oder der Einsatz spezieller KI-Technologien zur Arbeitserleichterung in einem crossmedialen Medienverbund gehören zu den Aufgaben des jetzt beschlossenen ARD KI-Netzwerks. WDR und BR haben gemeinsam die kommissarische Leitung des Netzwerks übernommen und koordinieren den Aufbau.
Ob die 10 Saarbrücken-Punkte geeignet sind große Einsparungen zu erzielen, bleibt doch sehr fraglich. Nicht thematisiert wurde zB der Aufbau einer zentralen ARD-Betriebseinheit für die gesamte Verwaltung der 9 Landessender. Dabei könnte hier eine Mrd-Summe eingespart werden. Kai Gniffke hofft, dass durch den Umbau nicht mehr Bürokratie entstehen werde. Im Herbst wollen die Bundesländer einen sogenannten Reformstaatsvertrag vorlegen, der die Reform des ÖRR vorantreiben soll. Heike Raab (SPD – Staatskanzlei Mainz, Koordinatorin der Rundfunkkommission) hat schon einige Eckpunkte genannt: Deutliche Reduzierung der Hörfunkprogramme, lineare FS-Spartenprogramme sollen ins Netz verschoben werden, die Überzahl an Portalen, Apps, Blogs und Podcasts soll deutlich gesenkt werden und die Gebührenerhöhung soll einfacher werden!
Mit dem Reformstaatsvertrag will die Rundfunkkommission ARD, ZDF und DLF Strukturver-änderungen auferlegen, deren Einsparpotenzial die Gebührenkommission KEF berechnet und die der ÖRR bisher nicht realisiert hat. Die 11 Intendanten dürfen sich schon heute auf einen heißen Herbst vorbereiten. Die Zeit der Reförmchen ist endgültig vorbei. Nun muss geliefert werden – damit die Rundfunkgebühr nicht unnötig steigen muss. Die 13 ör Sendeanstalten (inkl. Arte) verfügen schon jetzt jährlich über rd. 10,8 Mrd Euro. Damit ist Deutschland Weltmeister.
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