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Die Ministerpräsidenten der 16 Länder haben sich wie erwartet nicht auf eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags ab Januar 2025 geeinigt. Die KEF hatte eine entsprechende Erhöhung um 58 Cent auf 18,94 Euro empfohlen. Sie sind sich aber darin einig, wie der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD) sagte, dass es einen „Systemwechsel“ und „einen anderen Finanzierungsmechanismus“ brauche. Darüber werde man im Dezember beraten. Gemeint ist damit die mögliche Umstellung des Rundfunkbeitrags auf ein Indexmodell, wonach der Beitrag automatisch erhöht werden würde und es der Zustimmung der Landtage nur noch im Ausnahmefall bedürfte.
Auf der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) in Leipzig am Freitag (25.10.24) haben sich die Politiker aber auf eine Reform des ÖRR zumindest in Ansätzen geeinigt. So soll die Zahl der Hörfunkprogramme um 24 Prozent von 70 auf 53 reduziert werden (Medienexperten gehen aber von über 80 Programmen aus – inkl. Online-Angebote). Die TV-Spartenkanäle Phoenix, tagesschau24, ARD alpha und ZDFinfo, ARDone und ZDFneo werden „geclustert“ und reduziert. Bedeutet konkret, in den Bereichen Information nur noch 2 Prog. und bei Unter-haltung noch 1 Programm. Für Kinder und Jugendliche soll es wie bisher 2 eigenständige Angebote geben. Der Kinderkanal KiKa und das Digitalangebot FUNK bleiben somit erhalten. Den deutsch-französischen Kultursender Arte sollen die ör Anbieter ARD und ZDF (mit den europ. Partnern) zu einer europäischen Kulturplattform ausbauen. Dort könnten die Inhalte von 3sat, wie der Ministerpräsident Schweitzer sagte, auch eine Rolle spielen. Zudem bestehe auf Seiten der Politik der Wunsch, Kultursendungen in die Hauptprogramme zu bringen und auch in den Hauptsendezeiten auszustrahlen (ARD und ZDF bieten derzeit noch 2 Media-theken mit Kulturbeiträgen an). Man habe aber nicht die Fusion von 3sat und Arte beschlos-sen, so Ministerpräsident Schweitzer. Die Politiker wünschen sich aber vom ÖRR insgesamt „mehr Klasse statt Masse“, entsprechend dem ör Sendeauftrag.
Bei den Ausgaben für Sportrechte soll eine Reduzierung auf 5 Prozent der Gesamteinnahmen von ARD und ZDF erfolgen. Bei der ARD liegt der Anteil der Sportrechte am Etat bei etwa 8 Prozent, beim ZDF sind es bis zu 10 Prozent. Damit muss der ÖRR auf einen Teil der Übertragungen künftig verzichtet. Über konkrete Summen und Sportsendungen werden ARD und ZDF entscheiden müssen. Zudem will die Politik, dass die Höhe der Intendanten-Gehälter reduziert und an die Tarife des öffentl. Dienstes angeglichen wird. Die Länder Berlin, Brandenburg und Saarland haben bereits die Höhe auf rd. 187.000 Euro pro Jahr festgelegt (Höhe Ministergehalt).
Beschlossen wurden auch verstärkte Kooperationen zwischen den ör Sendeanstalten sowie eine gemeinsame digitale Plattform von ARD, ZDF und DLF. Außerdem öffnet die Politik auch das Tor für Kooperationen der Öffentlich-Rechtlichen mit den privaten Anbietern. So sollen die Inhalte von ARD und ZDF "auf Anfrage" auch auf privaten Plattformen zu finden sein – wie zB Joyn* oder RTL+. Das war insbesondere ein Wunsch von *ProSiebenSat.1, das in Österreich Inhalte von allen großen Konkurrenten (mit Ausnahme von RTL) auf Joyn anbietet, sowohl linear als auch on demand.
Für Texte in den Onlineauftritten des ÖRR wurde vereinbart, dass deren Aufmachung und Volumen nicht presse-ähnlich sein soll. Bedeutet konkret eine Reduzierung. Es soll eine „Positivliste“ geben, so Ministerpräsident Schweitzer, um das Merkmal der Presseähnlichkeit herauszuarbeiten. Möglich sind aber „Breaking News“, „Schlagzeilen zu aktuellen Ereignis-sen, einschließlich begleitender Echtzeitberichterstattung“ ebenfalls, Faktenchecks und Angebotsübersichten. Ebenso Texte, zu denen es Audio- und Bildberichterstattung gibt, sollen in großem Umfang möglich sein. Die Auftritte der Sender in den Social-Media-Kanälen sollen davon nicht betroffen sein. Damit kommen die Länder den Bedenken von ARD und ZDF entgegen.
Der brandenburgische Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) begrüßte die Verständigung auf die ör Rundfunkreform als „dringend erforderlich“. Ziel der Reformpläne ist es, effizientere Strukturen zu schaffen und Kosten einzusparen - auch mit Blick auf die Entwicklung des Rundfunkbeitrags. Die offene Frage des künftigen Rundfunkbeitrags könnte allerdings doch vor dem Bundesverfassungsgericht landen, wenn ARD, ZDF und DLF auf die von der KEF empfohlene Erhöhung klagen sollten. In den vergangenen Monaten lagen die Positionen beim Rundfunkbeitrag weit auseinander. Länder wie Sachsen-Anhalt und Bayern sprachen sich immer wieder gegen eine Anhebung aus. Der Hamburger Mediensenator Carsten Borsda hatte gesagt, entweder es gebe eine Einigung zum Rundfunkbeitrag oder die Reform komme insgesamt nicht. Insgesamt lehnen 7 bis 8 Länder eine Erhöhung ab, jetzt auch MP Bodo Ramelow aus Thüringen.
Den Gegnern einer Erhöhung sind die „Reformen“ von ARD und ZDF nicht ausreichend genug. Im Jahr 2023 erhielt der ÖRR aus dem Rundfunkbeitrag 9 Milliarden Euro, insgesamt sind es jährlich 10,8 Mrd € (inkl. Deutsche Welle und deut. Arte-Anteil). Die Gegenseite ist der Meinung, Reformen würden erst mit der Zeit für Einsparungen sorgen. Deshalb müsse man den Sendeanstalten eine Erhöhung, auch mit Blick auf die Inflation, zugestehen. Damit die ör Reformen wirksam werden können, müssen alle 16 Landtage zustimmen. Lehnt auch nur ein Landesparlament das Reform-Papier ab, können die Änderungen in den Staatsverträgen zum Rundfunk nicht in Kraft treten. Die Reform könnte ohnehin erst von Sommer 2025 an umge-setzt werden.
Die ersten ÖRR-Reaktionen zeigen keine Begeisterung für die MPK-Pläne. Die ZDF-Stellungnahme durch Intendant Norbert Himmler fällt eher negativ aus: "Eines ist jetzt schon klar, uns stehen weniger Ausspielwege zur Verfügung für die Zukunft. Und die Möglichkeiten, junge Menschen insbesondere mit Online-Informationen zu versorgen, werden eingeschränkt. Und, für uns besonders problematisch, die zukünftige Finanzierung ist noch überhaupt nicht geklärt. Das sind drei schwierige Botschaften in einer Zeit, in der ich fest davon überzeugt bin, dass wir einen starken ÖRR brauchen."
Der ARD-Vorsitzende Kai Gniffke äußerte sich dagegen diplomatischer: "Die ARD hat das gleiche Ziel wie die Länder: den ÖRR effizient, modern und vor allem zukunftsfest aufzustellen. Teile des Reformstaatsvertrags gehen in die richtige Richtung, doch manche Regelung stellt uns vor Herausforderungen. Aber wir packen das an." Auch er kritisiert vor allem die unklare Finanzierungssituation. Kai Gniffke: "Es wäre hilfreich gewesen, wenn die Länder auch in der ungeklärten Frage der Anpassung des Rundfunkbeitrags zum ersten Januar 2025 eine Entscheidung getroffen hätten. Die unabhängige Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) hat mehrfach betont: wenn die Beitragsempfehlung der KEF nicht umgesetzt wird, besteht die Gefahr, dass der ÖRR in Deutschland nicht mehr ausreichend finanziert ist, um seinen gesetzlichen Auftrag zu erfüllen. Jetzt besteht leider die Unsicherheit weiter. Wir werden prüfen, was das für die ARD bedeutet, inhaltlich und juristisch. Klar ist aber auch: wir gehen auf jeden Fall unseren schon eingeschlagenen Weg der Erneuerung und der Reformen konsequent weiter." Damit wird ein Gang nach Karlsruhe zum Bundesverfassungsgericht doch sehr wahrscheinlich. Der ÖRR hatte ja schon einmal damit Erfolg.
Insgesamt ist festzuhalten, dass die ör Reformen von der Politik viel zu gering ausfallen, um den ÖRR zukunftssicher zu gestalten. Insbesondere, um die zu hohen Kosten zu reduzieren. So müsste eigentl. die Gesamtzahl der ör Programme reduziert und die Gehälter-Tarifstruktur an den öffentlichen Dienst (TvöD) angeglichen werden. Die Angebote (Sendungen) müssten besser zwischen den (alten) Programmen und den (neuen) Online-Plattformen ausgeglichen werden. Zu viele Angebote alter Schule werden noch in den ARD/ZDF-Hauptprogrammen ausgestrahlt. Die Politik sagt auch nichts zu den hohen Ausgaben von Pensionen, Ruhestandsgehältern und der Verwaltung. Warum wird zB kein Auftrag zur Schaffung einer gemeinsamen ARD-Verwaltung erteilt? Alleine in diesen Bereichen könnten X Milliarden Euro eingespart werden. Warum trauen sich die Politiker nicht zu einem großen Sprung in die Zukunft?
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