Katrin Vernau - Foto WDR / Annika Fusswinkel
Geschafft – erst Interims-Intendantin in Berlin beim kleinen und finanzschwachen RBB und nun für 6 Jahre gewählte Intendantin beim großen WDR in Köln. „Es ist mir eine große Ehre, ab 2025 das Amt der WDR-Intendantin zu übernehmen und als vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk Überzeugte – und nicht zuletzt als „Maus“-Fan – auch eine Herzensangelegenheit. Der WDR braucht Mut, sich zu verändern, um auch im Hier und Jetzt glaubwürdig und relevant zu bleiben. Der WDR muss der Motor des Medienstandortes Nordrhein-Westfalen sein“ so Katrin Vernau nach ihrer Wahl.
Im entscheidenden zweiten Wahlgang bekam die Verwaltungsdirektorin des WDR 36 der 54 abgegebenen Stimmen und damit eine 2/3-Mehrheit. Ihr Konkurrent Helge Fuhst, Zweiter Chefredakteur von ARD-aktuell, erhielt 18 Stimmen. Wie knapp das Rennen war, bewies die Auszählung der 55 abgegebenen Stimmen – alle Mitglieder des Rundfunkrates waren anwesend – im ersten Wahlgang. Während sich Katrin Vernau (17 St.) und Helge Fuhst (16 St.) für die zweite Runde qualifizierten, schieden WDR-Programmdirektor Jörg Schönenborn (15 St.) sehr knapp und der Leiter des ZDF-Studios in Washington, Elmar Theveßen (7 St.), deutlich aus. Weil aber weder Vernau noch Fuhst das notwendige Quorum von 28 Stimmen erreichten, kam es zur Stichwahl, bei der eine einfache Mehrheit zur Wahl gereicht hätte.
Mit der 51-jährigen Vernau, die sich von ihrer Wahl „ein bisschen überwältigt“ zeigte, bekommt die größte ARD-Sendeanstalt (Etat 1,6 Mrd €) nach Monika Piel zum zweiten Mal eine Intendantin. Der WDR-Rundfunkrat blieb der Sendertradition treu, als mit Vernau wie bei ihren Vorgängern eine Bwerberin aus dem Haus bestimmt wurde. Sie tritt ihr Amt am 1. Januar 2025 an. Katrin Vernau wurde im Vorfeld allgemein große Sachkompetenz und Durchsetzungskraft bescheinigt. Ihre Bilanz als Interims-Chefin beim krisengeschüttelten RBB (Etat 0,5 Mrd €), den sie für ein Jahr nach der Absetzung von RBB-Intendantin Patricia Schlesinger bis zum Herbst 2023 führte, dürfte die WDR-Räte ebenfalls überzeugt haben. Ihre mögliche Konkurrentin Tina Hassel wechselte überraschend im Juni 2024 vom ARD-Hauptstadtstudio zum ARD-Studio Brüssel.
Bei der Vorstellungsrunde im Rundfunkrat betonte Vernau laut dwdl eben diese Erfahrung und Leistung: „Warum ich die richtige bin? Weil ich es schon einmal gemacht habe. Ihr ist es beim RBB gelungen die Insolvenz abzuwenden – wobei sie dem Programm ein 49 Mio-Euro-Sparpaket verpasste und die Geschäftsleitung vor die Tür setzte. “Das sei gelungen, weil sie von Anfang an gewusst habe, „dass ich die Menschen mitnehmen muss. Wenn du schnell sein willst, dann geh allein, aber wenn du ankommen willst, dann geh mit den anderen.“ Zur Wahl beim RBB wollte sie aber 2023 nicht offiziell antreten (sie wollte vom RBB-Rundfunkrat gebeten werden), aus welchen Gründen auch immer, obwohl über 70% der Belegschaft für sie als Intendantin votierte. Ihr Abgang aus Berlin war daher etwas eigenartig. Zudem gab es von Vernau in den 12 Monaten keine Pressekonferenz im RBB-Funkhaus. Das wird sich in Köln nun ändern müssen - Kommunikation ist so wichtig.
Ihre Wahl zur WDR-Intendantin ist dennoch bemerkenswert – weil sie sich als einzige Frau im Bewerberfeld durchsetzte und weil sie die einzige ohne journalistischen Hintergrund war. Mit Vernaus Wahl steht fest, dass der WDR künftig erstmals seit vier Jahrzehnten von einer Person gelenkt wird, die nicht aus dem Journalismus kommt, auch wenn der scheidende Intendant in der anschließenden Pressekonferenz zurecht darauf hinwies, dass es letztlich keinen großen Unterschied mache, ob man zuvor in der Produktion, im Journalismus oder im Verwaltungsbereich war, weil letztlich jeder, der an die Spitze eines solch großen Hauses komme, die eigene Komfortzone verlassen muss.
Katrin Vernau kam am Donnerstag zur Wahl mit einem kleinen Wort: „Mut“. Das Wort will sie nun im Funkhaus verankern – als ständigen Wegbegleiter. In ihrer Bewerbungsrede vor dem WDR-Rundfunkrat formulierte Vernau im Kölner Gürzenich ein Acht-Punkte-Programm. Ein Punkt: "Mut zu mehr Regionalität". Der WDR sei die Landesrundfunkanstalt von NRW, dort müsse man näher an den Menschen sein, daher wolle sie diesen Bereich als Intendantin auch finanziell stärken. Gleichzeitig brauche man mehr Mut, das Publikum sich seine eigene Meinung bilden zu lassen. "Die Menschen spüren, wenn sie belehrt werden sollen oder wenn Realität nur aus einem Blickwinkel beleuchtet wird. Wir sind keine Oberlehrer." Diese Frau kennt offensichtlich den Sendeauftrag sehr gut.
Als weitere Punkte nannte sie "Mut zu Tiefgang", "Mut, konstruktiv zum gesellschaftlichen Zusammenhalt beizutragen" sowie "Mut zu aktiver Gestaltung der ARD-Reformen und zur Absicherung unserer Finanzierung". Dazu brauche es eine Intendantin, die in der Lage sei, "zu erkennen, welche Strukturen uns wirklich strategiefähiger und wirtschaftlicher machen und dass sie auch eigene Lösungsansätze entwickelt". Hier spielte sie ihren wirtschaftlichen Hintergrund aus. Zur Bewältigung der Herausforderungen brauche es mehr als journalisti-schen Background. Sie wolle außerdem "Mut zu mehr Transparenz", der WDR solle also klarer kommunizieren, welche Schwerpunkt gesetzt werden und wofür das Geld ausgegeben wird. Ein weiterer Punkt: "Mut, uns zu öffnen." Man sei als WDR Teil der Gesellschaft, stehe nicht neben oder über ihr. Als Intendantin wolle sie daher Kooperationen ausbauen - etwa mit der privaten Medienwirtschaft, mit Verbänden und Kulturinitiativen. Als letzten Punkt nannte Vernau "Mut, der Magnet für die besten Talente zu sein". Darunter versteht sie, dass man es schaffen müsse, dass Produzenten und Kreative mit ihren Konzepten zuerst zum WDR kommen. Damit zielt sie auf Programmdirektor Schönenborn und seine Nicht-Ideen für ein zeitgemäßes ör FS-Programm. Langeweile ist Gegenwart – Mut für Neues und Kritisches ist die neue Zukunft.
Tom Buhrow betonte in der Pressekonferenz im Anschluss zur Wahl die Qualifikation seiner Nachfolgerin: „Ich gratuliere Katrin Vernau herzlich zur Wahl. Auf sie wartet ein wichtiges und spannendes Amt in herausfordernden Zeiten. Im WDR hat sie als Verwaltungsdirektorin bereits viele Herausforderungen gemeistert und Mut für schwierige Entscheidungen bewiesen. In der ARD verdanken wir ihr, dass sie den rbb als Interims-Intendantin wieder in ruhiges Fahrwasser gebracht hat. Mit dieser Erfahrung und einer starken Geschäftsleitung an ihrer Seite wird Katrin Vernau den WDR erfolgreich in die Zukunft führen. Wir werden bis zu ihrem Amtsantritt im Januar 2025 für einen guten Übergang im WDR sorgen. Nur eine oder einer kann die Wahl gewinnen. Allen, die sich dieser Herausforderung gestellt haben und damit auch ein klares Statement für den WDR abgegeben haben, gilt mein großer Respekt."
Corinna Blümel, stellvertretende Vorsitzende des WDR-Rundfunkrats, hat die Wahl geleitet. „Der Rundfunkrat ist mit der heutigen Entscheidung einer seiner wichtigsten und gleichzeitig vornehmsten Aufgaben nachgekommen. Wir sind davon überzeugt, dass Katrin Vernau durch ihre vielfältige Erfahrung innerhalb und außerhalb der ARD über ein hohes Maß an Expertise und Managementerfahrung verfügt, um den Herausforderungen im öffentlich-rechtlichen System zu begegnen und den WDR zukunftsfest aufzustellen. Katrin Vernau bringt den Mut und die Durchsetzungskraft mit, die für den Wandel und die Innovation im WDR unabdingbar sind.“
Katrin Vernau (geboren am 18. Mai 1973 in Villingen-Schwenningen) ist seit 2015 Verwaltungs-direktorin des WDR. Von September 2022 bis August 2023 war sie Interims-Intendantin des rbb und für diese Zeit beim WDR beurlaubt. Von 1992 bis 1996 studierte sie Wirtschafts-wissenschaften mit den Schwerpunkten Finanz- und Rechnungswesen und Finanzmarkt-theorie an der Hochschule St. Gallen und an der Columbia Business School und wurde 2001 an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam mit der Dissertationsarbeit „Politisch-administrative Steuerung in großen und mittelgroßen deutschen Kommunalverwaltungen – eine handlungs- und systemtheoretische Betrachtung“ zum Dr. rer. pol. mit der Note magna cum laude promoviert. Vernau war Kanzlerin der Universitäten Ulm und Hamburg, anschließend Partnerin in der Unternehmensberatung Roland Berger. Zur Landtagswahl 2011 wurde sie in das Schattenkabinett der SPD Baden-Württemberg berufen – zuständig für Wissenschaft und Hochschule.
Tom Buhrow hatte dem Rundfunkrat vor einem halben Jahr mitgeteilt, sein Amt vorzeitig mit Ablauf dieses Jahres zu beenden und damit tritt Katrin Vernau am 1. Januar 2025 ihr neues Amt an. Die neue WDR-Intendantin wird auch in der Entlohnung deutlich aufsteigen. Aber ihr Gehalt wird niedriger ausfallen, als das von Amtsinhaber Buhrow. Der WDR-Chef war bislang mit 433.200 Euro Jahresgehalt (inkl. Zulagen) der ÖRR-Intendant mit den höchsten Bezügen (was Politiker, Bürger und Medienexperten kritisieren). WDR-Verwaltungsratsvorsitzende Claudia Schare machte klar, dass das Einstiegsgehalt der künftigen Spitzenkraft deutlich unterhalb des Gehalts von Buhrow liegen werde. Unterhalb des Gehalts von NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst?
Der WDR-Rundfunkrat hat am Donnerstag mit der Wahl von Katrin Vernau Mut zur Zukunft bewiesen. Es ist daher kein Zufall, dass WDR-Programmdirektor Jörg Schönenborn, der Bewerber mit dem größten WDR-Stallgeruch, es nicht in den zweiten Wahlgang schaffte. Aber die 55 Räte trauten es ihm nicht zu, aus dem ör Alltagstrott auszusteigen und den WDR, den ÖRR, in eine überlebensfähige Zukunft zu überführen. Für die gesamte ARD kann es ein Glücksfall sein, dass nun eine studierte Ökonomin aktiv Reform und Umbau des ÖRR gestalten will und aus dem Klein-Klein von ARD-Chef Gniffke und ZDF-Chef Himmler aus-steigt. Der ÖRR braucht mehr Mut – denn er kann viel mehr. Aber mit weniger Durchschnitts-Programmen, weniger Aufwand und viel weniger Bürokratie und Kosten. Und so kann mit Katrin Vernau ein neues ör Zeitalter beginnen. Kann. Aber mit Mut, Visionen, Sachverstand, Realismus, mit vielen Mitstreitern und engagierten Bürgern, kann man Berge versetzen. Mut ist das neue Pflichtprogramm für alle ör Mitarbeiter.
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