Dr. Carsten Brosda
Hamburgs Kultursenator Brosda: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss ganz neu gedacht werden
ARD und ZDF sollen reformiert werden, doch sie verweigern Sparmaßnahmen und strukturelle Neuerungen. Und obwohl sie laut der KEF einen Überschuss von 545 Mio. Euro in den Kassen haben, fordert der ARD-Vorsitzende Wilhelm zusätzlich drei Milliarden Euro für vier Jahre. In einem Interview mit „Spiegel Online“ vom 13.6.2018, spricht Kultursenator Brosda (SPD) Klartext. Anlass ist ein Treffen der Rundfunkkommission der Länder (13.6.18) und die Konferenz der 16 Ministerpräsidenten in Berlin am 14.6.2018.In die komplexe Medien-Debatte über die Rundfunkabgabe kommt der Vorschlag einer Arbeitsgruppe aus sechs Ländern, die die Finanzierung der Sender komplett umkrempeln wollen. Die Pläne sehen vor, den Rundfunkbeitrag an die Teuerungsrate anzupassen – aber auch mehr Eigenverantwortung von ARD und ZDF zu verlangen. „Wir brauchen auch in Zukunft einen qualitativ hochwertigen und attraktiven öffentlich-rechtlichen Rundfunk als eine starke Säule unseres Mediensystems. Wir haben aber bislang die Situation, dass über den Staatsvertrag sehr kleinteilig vorgeschrieben wird, was die öffentlich-rechtlichen Sender veranstalten dürfen. Ich glaube, dass diese Systematik der immer kleinteiligeren Vorgaben sehr schnell ins Leere laufen kann – vor allem vor dem Hintergrund der stetig fortschreitenden Digitalisierung. Die Eigenverantwortung der Sender muss im neuen Staatsvertrag erhöht werden“, so der Senator. Allerdings haben ARD und ZDF ein Ultimatum für nachhaltige Reformen im April verantwortungslos verstreichen lassen.
Anfang des Jahres hat der ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm ein Horrorszenario an die Wand gemalt: Wenn der Rundfunkbeitrag in zwei Jahren nicht deutlich erhöht wird, werden ab 2021 drei Milliarden Euro fehlen, die dann im Programm eingespart werden müssten. Diese Argumentation hält der Kultursenator für völlig abwegig: „Ich verstehe ja jeden Programmmacher, der mehr Geld für seine Arbeit fordert. Aber zugleich finde ich es in der aktuellen Debatte um den Rundfunkbeitrag wenig hilfreich, mit solchen Summen aufzuschlagen. Niemand sollte die Sensibilität dafür verlieren, wie sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk momentan in ganz Europa neu begründen muss, da sind steile Maximalforderungen nicht zielführend. In der Schweiz ist die Volksabstimmung über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gerade noch glimpflich ausgegangen, allerdings auch erst, nachdem die Verantwortlichen dort versprochen haben, sich zu modernisieren und inhaltlich neu aufzustellen (Anmerkung: Und den Etat zu verringern). Deshalb muss auch bei uns zuerst die Antwort auf die Frage stehen, welche Aufgabe der öffentlich-rechtliche Rundfunk im 21. Jahrhundert erfüllen soll“.
Für den Hambuger Senator geht es um neue Beweglichkeiten für die Anstalten: „Nehmen wir den „Bad Banks“-Sender ZDF: Die Politik musste in der Vergangenheit jede Sendererweiterung wie ZDFneo, ZDFinfo, ZDfkultur oder das vom ZDF koproduzierte Jugendangebot Funk beauftragen – da sollten wir den Anstalten größere Flexibilität zugestehen. Muss ein Sender in Zeiten, in denen er viel mehr Plattformen zu bespielen hat, um sämtliche Zielgruppen zu erreichen, immer wieder zu den Ministerpräsidenten, um sich jede Aktivität einzeln genehmigen zu lassen? Das ging beim ZDF ja so weit, dass man ZDFkultur über ein Jahr weiterlaufen lassen musste, obwohl klar war, dass man die Aktivitäten eigentlich zu Funk verlagern wollte. So eine Geldverschwendung hält kein System aus, da müssen die Sender mehr Gestaltungsraum kriegen und so etwas künftig über die Rundfunk- und Fernsehräte entscheiden können“.
Auch zu der aktuellen Diskussion rund um die Talkshows von ARD und ZDF äußert sich Brosda. Der Versuch, „durch plakative Zuspitzung Reichweite zu machen, ist ja mehr oder weniger krachend gescheitert“, sagt er. Talkshows würden sich derzeit „eher in einer Krise“ befinden. Tatsächlich verzeichnen derzeit die meisten Formate sinkende Quoten. Die Fixierung der Sender auf Quoten würde künftig ohnehin abnehmen. „Es geht schließlich nicht mehr um die eine Einschaltquote, sondern um die Gesamtreichweite eines Programms über alle Ausspielkanäle.“ Gleichzeitig sollten die Sender auch nicht zu weit in der Zuschauergunst abrutschen. „Die Politik hat den Anspruch, dass ARD und ZDF Reichweite machen. Und das mit qualitativ hochwertigem Fernsehen“, so der Hamburger Senator.
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