
„Die ör Sendeanstalt für Berlin und Brandenburg bleibt sich treu und produziert im Schlesinger-Zeitalter laufend neue Skandale. Der RBB hat im Zuge seiner Berichterstattung über Belästigungsvorwürfe gegen den Grünen-Politiker und MdB Stefan Gelbhaar aus Berlin-Pankow schwerwiegende Fehler gemacht. Er hat Gelbhaar durch die nicht ausreichend geprüften Veröffentlichungen Unrecht getan und sein pol. Leben zerstört“. So begann der Artikel über das „Grüne Netzwerk im RBB“ hier im FORUM am 27.1.2025. Und nun, nur 6 Wochen später, reichen sowohl Programmdirektorin Katrin Günther als auch Chefredakteur David Biesinger ihren Rücktritt ein. Dieser RBB will einfach nicht aus den Schlagzeilen kommen. Katrin Vernau räumte als Interims-Intendantin für ein Jahr an der Spree die größten Schlesinger-Trümmer beiseite und ging zurück nach Köln. Am Rhein wurde die Ökonomin 2025 WDR-Intendantin und macht jetzt drei Kreuze in ihrem Tagebuch.
Intendantin Demmer hatte vor dem Rundfunkrat des RBB Mitte der Woche gesagt, der Bericht der Untersuchungskommission zum Gelbhaar-Skandal (Kosten: 60.000 €) werde „Konse-quenzen“ haben. Das hätte wohl bedeutet, Ablösung der zwei Führungskräfte von ihren Posten – welche Demmer selber erst 2024 berufen hatte. Was sagt das über die Führungs-qualität der Intendantin aus? Der Bericht zu der Falschberichterstattung des RBB liegt seit Anfang des Monats vor, veröffentlicht worden ist er aber noch immer nicht. Aus arbeitsrecht-lichen und aus Datenschutzgründen sei dies noch nicht möglich, so der RBB. Nun haben Günther und Biesinger selber ihren Rücktritt eingereicht.
Als Konsequenz aus der fehlerhaften Berichterstattung der ör Sendeanstalt über den Bundestagsabgeordneten Stefan Gelbhaar (Grüne), legten am 14.3.2025 Katrin Günther und David Biesinger ihre Ämter mit sofortiger Wirkung nieder. Katrin Günther, erst seit August 2024 im Amt: "In meinen Augen ist in den vergangenen Wochen zu schnell und zu viel über mögliche Fehler Einzelner gesprochen worden. Tatsächlich hat der rbb in diesem Fall insgesamt programmlich versagt. Dafür sehe ich mich in der Verantwortung und habe deshalb Intendantin Ulrike Demmer mitgeteilt, dass ich mein Amt niederlegen werde. Es darf nicht sein, dass der rbb nach einem solchen Fehler einfach wieder zur Tagesordnung übergeht, auch dieses Zeichen ist mir wichtig. Wir müssen jetzt aber über Strukturen sprechen, nicht über Köpfe." Und David Biesinger: "Ich habe der Intendantin und dem Direktorium angeboten, die Funktion des Chefredakteurs abzugeben. Ein Neuanfang an der Spitze der Chefredaktion soll dazu beitragen, die publizistische Reputation des rbb wieder herzustellen. Dieses Angebot hat die Intendantin angenommen."
Ulrike Demmer: "Die Führung des rbb steht zu ihrer Verantwortung. Ich respektiere die Ent-scheidungen von Katrin Günther und David Biesinger und danke den beiden für das starke Signal, persönliche Konsequenzen zu ziehen. Es ist mir ein wichtiges Anliegen, meinen Dank und meine Wertschätzung für die davon unbenommenen großen bisherigen Leistungen zum Ausdruck zu bringen." Und weiter: "Die substanziellen und unmissverständlichen Konsequen-zen aus der fehlerhaften Berichterstattung und der Aufarbeitung stellen sicher, dass die hohen Standards, die der rbb hat, auch wirklich angewandt werden. Unser Anspruch ist, das uneingeschränkte Vertrauen des Publikums in die unabhängige, unvoreingenommene und verlässliche Berichterstattung des rbb wieder herzustellen."
Katrin Günther wird die Funktion als Programmdirektorin bis zu einer Neubesetzung der Stelle kommissarisch fortführen. Stephanie Pieper, aktuell Leiterin rbb24 Inforadio und Digital, wird kommissarisch Chefredakteurin des rbb. Über die zukünftigen Aufgaben von Katrin Günther und David Biesinger ist der rbb mit beiden im Gespräch, sie müssen wohl nicht mit einer Entlassung rechnen. Zudem hat die ör Anstalt erste strukturelle Konsequenzen angekündigt. So werden die bestehenden investigativen Einheiten des rbb „künftig in Recherchen dieser Tragweite zwingend einbezogen. Und die Chefredaktion wird künftig eine aktive Rolle bei der Kontrolle solcher Recherchen wahrnehmen“. Da stellt sich die Frage, wieso haben Biesinger & Co. diese notwendigen Aufgaben bisher links liegengelassen?
Beim RBB, gilt aber wohl für den gesamten ÖRR, geht es nicht nur um Köpfe sondern auch um (mangelhafte) Strukturen. Der Fall Gelbhaar hat es an den Tag gebracht: es ist ein ör Systemversagen. Wie war es möglich, dass Politiker (hier eine Berliner Grüne) alle journalistischen Hürden in der Sendeanstalt überspringen konnten, der Justitiar nicht eingriff und so falsche Behauptungen über einen Bürger ausgestrahlt wurden? Es ist ein weiterer Skandal im Berliner Funkhaus, der einem Filmdrama gleicht: Der RBB nahm Gerüchte über angebliche sexuelle Übergriffigkeiten des Grünen-Politikers und MdB Stefan Gelbhaar auf, stellte sie ausführlich in Sendungen dar und inszenierte dabei ein Interview mit einer vermeintlich Betroffenen („Anne K.“) vor der Kamera, das es nicht gab, weil es diese Frau gar nicht gibt. Es muss deutlich gesagt werden, beim RBB haben alle Sicherungen und Kontrollen komplett versagt.
Nach öffentlicher Kritik ist das Lügengebäude eingestürzt und der RBB zog seine Bericht-erstattung daraufhin zurück. Der Politiker Gelbhaar allerdings verlor vor der Bundestagswahl zunächst seinen Platz auf der Landesliste der Grünen und später auch noch seine Direkt-kandidatur für den Wahlkreis in Berlin-Pankow. Inzwischen fordert der Politiker 1,7 Millionen Euro vom RBB als Schadensersatz. Auch wenn die Beteiligten sich auf die halbe Summe einigen sollten, für die leere RBB-Kasse ist es nur noch ein weiteres Desaster. Ausbaden müssen es wohl Belegschaft (Stellenabbau) und ör Nutzer (Angebots-Reduzierungen).
Zu einer internen Aufarbeitung des Skandals sahen sich Intendantin, Chefredaktion, Pro-grammdirektion und Abendschau-Leitung nicht imstande. Daher wurde die Prüfungs- und Beratungsfirma Deloitte sowie der Journalist und ehemalige Leiter des Investigativ-Ressorts des NDR, Stephan Wels, mit der Aufarbeitung der Berichterstattung beauftragt. Seit dem 5. März liegt dem RBB eine 19-seitige erste Zusammenfassung der Untersuchung vor. Die etwa 100 Seiten starke finale Version ist für Ende März angekündigt. Ob der Termin eingehalten wird?
Mit den Rücktritten dürfe die „Aufklärung in eigener Sache“ nicht vorbei sein, sagt der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV) Berlin – JVBB, Steffen Grimberg. Jetzt müsse „der Bericht der externen Prüfung der Vorgänge schleunigst auf den Tisch – selbst wenn die Endfassung noch in Arbeit ist.“ Das gebiete der Respekt vor den Mitarbeitern und den Gremien des RBB und das sei der Sender auch den Beitragszahlern schuldig. „Was jetzt nicht passieren darf, ist, dass sich der RBB und die betreffenden Verantwortlichen hinter verschlossenen Türen einigen. Und es dann wieder heißt, mit dieser Vereinbarung sei Stillschweigen vereinbart worden und daher könne man leider jetzt auch nichts mehr sagen.“
„Die Rücktritte sind eine persönlich schwierige und zu respektierende Entscheidung“, sagte der geschädigte Stefan Gelbhaar dem Portal t-online. Was er erwartet, macht sein Verweis auf eine Entscheidung des Landgerichts Hamburg deutlich, demzufolge die Grünen-Politikerin Klara Schedlich, die in der RBB-Falschberichterstattung eine wichtige Rolle spielte, bestimmte Äußerungen über ihn nicht wiederholen dürfe. Und der ör Sender wird an Gelbhaar eine finanzielle Entschädigung leisten müssen, die dieser einfordert. Der RBB steht mal wieder als gescheitertes Medium (Verlust der Glaubwürdigkeit) dar und kommt aus dem Skandalsumpf nicht heraus. Und so stellt sich ganz grundsätzlich die Frage, muss das gesamte Führungs-personal im ÖRR nicht nach anderen, nach qualifizierten Kriterien ausgesucht werden? Denn das alte System hat in vielen Punkten versagt und ist Wasser auf die Mühlen seiner zahl-reichen Gegner. Der ÖRR hat nur eine Chance für eine gesicherte Zukunft, er muss sich komplett neu erfinden.
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