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ÖRR: Viele Köche verderben den Brei



Welche Zukunft hat der ÖRR? Foto ARD


Am 24./25. Oktober schlägt in Leipzig die Stunde der Wahrheit für ARD, ZDF und DLF. Auf der Ministerpräsidentenkonferenz (der 16 Länder) soll der Entwurf des Reformstaatsvertrags für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk/ÖRR vorliegen, damit er anschließend in die Anhörung gehen kann. „Die Reformvorschläge aus den Staats- und Senatskanzleien basieren auf den Beschlüssen der Rundfunkkommission vom 20. Januar 2023 („Deidesheimer Beschluss“) und vom 26. Januar 2024 („Binger Eckpunkte“) sowie der Beratung der Kommission im Juni 2024“ (FAZ 21.8.2024). Auch am 19. August haben die 16 Medien-Verantwortlichen der Länder über viele Punkte beraten und eine grundsätzliche Einigung erzielen können. Aber an einigen Sätzen wird noch immer gefeilt und fast täglich ändern sich einzelne Formulierungen. Doch die entscheidende Frage bleibt: Wie viel Reformeifer bleibt nach der monatelangen Kompromiss-Suche letztlich eigentlich übrig? Denn jedes Land hat auch eigene (Medien-) Interessen, wie zB Standorte, Arbeitsplätze und Produktionseinheiten.


Nach FAZ-Information bleibt die Politik bei der Reform der ARD-Organisationsstruktur deutlich hinter den Vorschlägen des Zukunftsrates zur Schaffung einer zentralen Einheit zurück. Stattdessen soll auf das Federführungsprinzip für alle Formen der Zusammenarbeit innerhalb der ARD gesetzt werden. Also weniger koordinieren, mehr organisieren. Der ARD-Vorsitz soll weiterhin alle zwei Jahre rotieren, aber neben der geschäftsführenden Landesrundfunk-anstalt/LRA soll es nun zwei stellvertretende LRA geben. Wobei der Vorsitz (LRA) zuvor schon Stellvertreter war. Ein gemeinsames Büro soll der administrativen Unterstützung des Vorsitzes dienen. Dafür wird aber für einen Geschäftsführer eine neue Planstelle geschaffen (Plus Büro-Personal). Ob dafür an anderer Stellen Planstellen reduziert werden? Eine weitere Neuerung ist, „dass der Programmdirektor bei seinen Entscheidungen der Zustimmung der Gremien-vertreterkonferenz/GVK bedarf. Er untersteht künftig der Gesamtkoordinierung des ARD-Vorsitzes. Dieses ARD-weite Gremium erhält erstmals gesetzlich formulierte Aufgaben“. Damit wird die Programmgestaltung (aktuell Prog.-Direktorin Strobl) nicht mehr nur in einer Hand liegen. Sollte dadurch das ör Niveau vom ERSTEN erhöht und näher an der ör Sendeauftrag herangeführt werden, kann der ÖRR eigentlich nur gewinnen. Für ZDF und DLF (Deutschland-radio) gilt das Direktorium als kollektives Leitungsorgan.


Weitere Änderungen betreffen die Bildungsangebote. So werden die 11 Sendeanstalten ver-pflichtet, in ihren Angeboten „zielgruppengerechte interaktive Kommunikation mit den Nutzern anzubieten“, die Angebote sollen leichter nutz- und auffindbarer werden. Beim Sport soll verstärkt darauf geachtet werden, dass Sportarten und -Veranstaltungen „keiner oder nur einer geringen kommerziellen Vermarktung unterliegen“. Der Sportanteil darf sich im Gesamtangebot nicht erhöhen und auch die Kosten dürfen sich nicht erhöhen. Ob die finanz. Aufwendungen für den Profisport gedeckelt werden sollen, ist aber noch umstritten. Zudem wollen die Länder die Anzahl der Hörfunkwellen reduzieren (Mehrfachangebote) und die Einstellung von FS-Spartenprogrammen soll konkret und verbindlich geregelt werden. Zudem wolle man das Verbot der Presseähnlichkeit auf Onlineseiten konkretisieren. Texte sollen demnach sendungsbegleitend sein und nur eine untergeordnete Rolle spielen. Ähnliche Regelungen gibt es allerdings schon bislang, was seit vielen Jahren zu dauerhaften Auseinan-dersetzungen zwischen Verlagen und dem ÖRR führt.


Grundlegend neu ist zukünftig die Überprüfung der ör Angebote. Die 9 LRA der ARD sowie ZDF und DLF müssen „Kennzahlen und Verfahren entwickeln, die vergleichbare Leistungs-analysen ermöglichen“. Hierzu soll ein Medienrat (sechs bis acht Mitglieder) mit Experten, durch die Regierungschefs der Länder berufen, eingesetzt werden. Stellt der Medienrat Pro-grammmängel fest (zu viele Krimis, zu wenig Informationen am Hauptabend), müssen sich die ör Anstalten (und deren Gremien) mit der Kritik befassen und mögliche Veränderungen diskutieren. Der ÖRR wird damit stärker an den Sendeauftrag erinnert: mit dem Bericht der Gebührenkommission KEF zu den wirtschaftlichen Fakten und mit dem Medienrat und seinen inhaltlichen Einschätzungen zu den Programmangeboten. Der novellierte Medienstaats-vertrag wird auch eine Pflicht zur verstärkten Zusammenarbeit vorsehen. Dieser Grundsatz umfasst insbesondere „administrative und technische Bereiche, die Nutzung gemeinsamer personeller und technischer Kapazitäten, einschließlich Studios“.


Für große Bauchschmerzen bei Politikern und Bürgern sorgten seit Monaten die sehr hohen Gehälter der ör Führungskräften. Die 16 Länder greifen nun verstärkt durch. Die Höhe der Gehälter (und Zulagen) soll sich künftig an den Bezügen des öffentlichen Dienstes orientieren. Die Länder Berlin, Brandenburg und Saarland haben bereits reagiert und danach dürfen Intendanten in Zukunft nicht mehr verdienen als Landesminister: rd. 187.000 €/Jahr. Aktuell erhält WDR-Intendant Buhrow über 430.000 €, Bundeskanzler Scholz „nur“ rd. 360.000 Euro. Auch der Durchsetzung von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit wird mehr Gewicht verliehen. So werden „die ör Sender über ein Budget verfügen und können damit den Geldfluss im Unternehmen besser steuern und Mittel auch in die nächste Gebührenperiode übertragen. Mit der Neuregelung würde die Gebührenkommission KEF die Flexibilität erhalten, auch längere Beitrags- und Aufwandsentwicklungen zu berücksichtigen“ (FAZ). Der neue Staats-vertrag wird um einen Abschnitt erweitert, der eine „verbindliche Ausgabensteuerung“ vorsieht und dazu ist eine „Kosten- und Leistungsrechnung“ einzuführen. Dadurch kann die Effizienz des Budgeteinsatzes aller Sendeanstalten miteinander überprüft werden. Bisher ist das nicht möglich.


Auf den ÖRR, insbesondere auf ARD und ZDF, kommt viel Arbeit zu. Seit 2016 hat die Politik die Anstalten zu (grundlegenden) Reformen verpflichtet, doch die Ergebnisse der „Reform-arbeit“ sind kaum sichtbar. Da nützt es auch nichts, wenn sich die ör Chefs, ARD-Gniffke und ZDF-Himmler, gegenseitig auf die Schulter klopfen. Dafür schlägt dem ÖRR in der Bevöl-kerung immer mehr Wind bzw. Sturm entgegen. Auch der SWR-Rundfunkratschef Engelbert Günster ist mit der Reformarbeit unzufrieden, aber auch mit den Medien-Politikern. Der Grund warum es nur langsam vorangeht, liege auch daran, dass sich die Runde der Intendantinnen und Intendanten meist einstimmig einigen müsse. "Bei fast allen Entscheidungen gibt es mindestens einen, der negativ betroffen ist. Und daher bewegt sich so wenig" (SZ). Günster befürchtet auch, dass die Politik an den Medienstaatsvertrags-Entwürfen solange auf Kompromiss-Suche gehen wird, bis das ganze Reformwerk verwässert ist. Sollte die Politik angesichts der Problemlage nicht besser die Notbremse ziehen und die gesamte Reform-arbeit einer Länder- Rundfunk-Stiftung (mit Medien-Experten, ör Mitarbeitern und Fach-politikern) übertragen? Medienpolitik ist Machtpolitik und sehen die betr. Staatsverträge dann aus. Der ÖRR ist für die Demokratie zu wichtig, als im Klein-Klein von Politikern auf dem Altar der Partei-Interessen geopfert zu werden. Der ÖRR kann mehr und die Bürger ein Recht darauf.

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